Sinn und Ganzheitlichkeit in den Vordergrund stellen

Interne Kommunikation mit dem Organisationskompass

Mein Arbeitsjahr begann im Januar mit einer Open-Space-Veranstaltung, bei der sich 200 Organisationsberater zu der Frage „Wie lassen sich lebendige Organisationen schaffen?“ austauschten. In der Diskussion begegnete ich dem „Organisationskompass“, über den ich schon einiges gelesen und gehört hatte. Richtig warm war ich aber nicht mit ihm geworden. Im Gespräch mit meinen Beraterkolleginnen und -kollegen entdeckte ich nun die Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten, vor allem für die Arbeit an und in der internen Kommunikation. Besonders interessant fand ich die Frage nach dem Sinn sowie die ganzheitliche Betrachtung.

Wenn ich das Jahr Revue passieren lasse, fällt mir auf, wie sehr sich der Organisationskompass in meine Beratungstätigkeit geschlichen hat. Oft war er im Einsatz – sowohl bei meinen Kunden als auch bei der Selbstreflexion.

Haben Sie Lust, sich ebenfalls mit dem Kompass zu beschäftigen? Dann lade ich Sie ein, mich auf eine kleine experimentelle Reise zu begleiten, die bei den Naturvölkern beginnt. Denn dort hat der Organisationskompass seinen Ursprung.

Denkweise der Naturvölker als Vorbild

Der Organisationskompass, der im Englischen „Medicine Wheel Tool“ genannt wird, basiert auf der Denkweise indigener Naturvölker. Er gilt als eine Art Navigationssystem durchs Leben und betont die Ganzheitlichkeit der verschiedenen Lebensaspekte. Die kanadische Organisationsberaterin Birgit Williams hat dieses Wissen zusammen mit Harrison Owen, dem Erfinder der „Open Space Technology“, für Unternehmen übersetzt. Sie haben einen Kompass geschaffen, mit dem Unternehmen ergründen können, wo sie stehen (Analyse), wohin sie wollen (Entwicklung) und was sie schon erreicht haben (Evaluation). Er ermöglicht es, sich komplexen Themen schnell und ganzheitlich zu nähern.

Den Sinn transportieren – keine abstrakten Strategien

Mit gefällt die Arbeit mit dem Organisationskompass aus mehreren Gründen richtig gut:

  • Der Sinn, der im Mittelpunkt steht, ist leichter in die Organisation zu transportieren als abstrakt formulierte Strategien. Dabei werden Themen nicht isoliert, sondern ganzheitlich bearbeitet.
  • Der Kompass ist leicht erklärbar und schnell verständlich.
  • Die zu bearbeitende Thementiefe kann variieren: von kleinen Themen bis hin zu Themen der Organisationsentwicklung.
  • Der Kompass kann auf den verschiedenen Unternehmensebenen eingesetzt werden, z. B. für organisationsweite Themen, auf Abteilungs- oder auf Teamebene. Es kann aber auch jeder für sich allein mit ihm arbeiten – in Selbstreflexion oder im Selbst-Coaching.
  • Der Kompass ist ein Tool für drei Anwendungsbereiche: die Analyse- oder Diagnosephase (wo stehen wir), Entwicklungsprozesse (wo wollen wir hin) und Evaluation (was haben wir erreicht).

Sechs Ebenen: Vom Sinn über die Führung hin zu den Beziehungen

Der Organisationskompass besteht aus sechs Ebenen. In der nachfolgenden Auflistung sind diese Ebenen mit Leitfragen hinterlegt:

  1. Sinn & Zweck: Was ist der Sinn und Zweck des Unternehmens/Projekts/Themas?
  2. Führung & Werte: Welche Art von Führung und welche Werte sind dafür wichtig?
  3. Vision, Strategien & Ziele: Welche Visionen, Strategien und Ziele lassen sich daraus ableiten?
  4. Gemeinschaft: Welche Personen braucht es, um Sinn und Zweck, Führung und Werte, Strategien und Ziele zu leben?
  5. Management: Was sind die konkreten Maßnahmen, Strukturen und Abläufe dafür?
  6. Beziehungen: Welche Beziehungen und welche Art von Kommunikation sind notwendig?

Mehr Sinnhaftigkeit mit dem OrganisationskompassZu den einzelnen Ebenen lassen sich weitere Fragen formulieren, von denen ich Ihnen eine Auswahl zusammengestellt habe:

1. Sinn & Zweck

  • Was ist der Sinn bzw. der Zweck unseres Unternehmens oder unseres Vorhabens?
  • Hat der Sinn genügend Kraft, um Energie zu schaffen?
  • Wurde der Sinn sauber kommuniziert und ist er allen klar?

2. Führung & Werte

  • Welche Art von Führung und welche Werte werden gebraucht, um den Sinn zu erfüllen?
  • Ist allen Beteiligten bekannt, wer führt wie geführt wird und welche Werte damit verbunden sind?
  • Passen Führung und Sinn zusammen?

3. Vision, Strategien & Ziele

  • Welche Vision, Strategien und welche Ziele leiten sich aus dem Sinn und der Führung ab?
  • Sind sie klar, transparent und inspirierend formuliert?
  • Sind sie allen bekannt?

4. Gemeinschaft

  • Welche Art von Personen wird gebraucht, um den Sinn zu stützen, die Führung und die Werte umzusetzen, die Vision und die Ziele zu tragen?
  • Verfügt die Organisation über eine wirksame interne Kommunikation?
  • Wie arbeitet die Organisation mit anderen aus ihrem Umfeld zusammen?

5. Management

  • Wer managt und wie sieht „Management“ konkret aus?
  • Was sind die ersten konkreten Schritte mit Blick auf die vier vorherigen Ebenen?
  • Befördern die Strukturen und Abläufe einen reibungslosen Ablauf?

6. Beziehungen

  • Gibt es ausreichende Verbindungen zwischen den Ebenen?
  • Unterstützen die bestehenden Beziehungen alle fünf Ebenen?
  • Ist die Kommunikation klar und wirksam?

Beispiele für das Arbeiten mit dem Organisationskompass

Sie haben noch keine klare Vorstellung davon, wie Sie mit dem Organisationskompass arbeiten können? Zur Inspiration schildere ich Ihnen kurz drei Anwendungsbeispiele mit der Einladung, das Vorgehen und die Fragen ggf. für Ihren Bedarf zu ändern und zu erweitern.

Anwendungsfall auf der Organisationsebene zu der Frage „Wie gut funktioniert die interne Kommunikation?“

Beantworten Sie die Fragen am besten in einem Workshop mit mehreren Teilnehmern, z. B. in einer Steuerungsgruppe. Hilfreich ist eine Person, die moderiert und die Gespräche strukturiert. Nach dem ersten Durchlauf sollten Sie mindestens eine weitere Schleife drehen. Die Beantwortung ist nicht immer leicht und bei einer nächsten Runde haben die Teilnehmer sicherlich weitere Ideen oder es fallen ihnen neue Aspekte ein.

Mögliche Fragen sind:

  1. Sinn und Zweck: Ist der Sinn der Organisation sauber kommuniziert und allen klar?
  2. Führung: Kommunizieren die Leitung und die Führung wirksam? Werden der Sinn und die Werte klar transportiert?
  3. Vision, Strategie und Ziele: Ist die Vision zukunftsgerichtet und passt sie zum Sinn? Ist sie allen klar?
  4. Gemeinschaft: Arbeiten die Mitglieder der Organisation so, dass der Sinn erreicht werden kann? Sind eine Kommunikationsstruktur und eine Kultur vorhanden, die alle miteinander verbindet?
  5. Management: Funktioniert die Kommunikationsinfrastruktur? Gibt es ausreichende Ressourcen, um intern zu kommunizieren?
  6. Beziehungen: Kennen alle Mitarbeiter ihre Ansprech- und Kommunikationspartner? Sind die Beziehungen hilfreich, um den Sinn und die Aufgaben zu erfüllen?

Anwendungsfall auf der Teamebene zu der Frage „Wie verbessern wir unsere Besprechungen?“

Der Organisationskompass wird im Vorfeld einer Besprechung zur Planung herangezogen. Zu Beginn der Besprechung dient er zur Klärung, damit sich alle über den Sinn und die Aufgabe klar sind. Das muss nicht lange dauern – 10 Minuten reichen. Zum Ende der Besprechung wird der Kompass als Tool zur Evaluierung und somit zur kontinuierlichen Verbesserung eingesetzt.

Mögliche Fragen sind:

  1. Sinn und Zweck: Was ist der (übergeordnete) Sinn dieser Besprechung?
  2. Führung und Werte: Wer übernimmt die Führung und welche Werte sind bei dieser Art von Besprechung wichtig?
  3. Vision, Strategie und Ziele: Was ist das Ziel dieser Besprechung?
  4. Gemeinschaft: Sind die richtigen Personen anwesend, um den Sinn und das Ziel zu erreichen?
  5. Management: Was sind konkrete Aufgaben und Schritte, um sich wirksam zu besprechen?
  6. Beziehungen: Können wir alle miteinander arbeiten oder müssen noch Dinge geklärt werden (zu Beginn der Besprechung)? Was sollten wir in der Zusammenarbeit verbessern (am Ende der Besprechung)? Wie tragen wir die Ergebnisse in die Organisation?

Anwendungsbeispiel auf persönlicher Ebene zu der Frage „ Wie stehe ich selbst zum Thema interne Kommunikation?“

Nehmen Sie sich für die Arbeit mit dem Organisationskompass zweimal eine Stunde Zeit und suchen Sie sich eine ruhige Ecke. Beantworten Sie die nachfolgenden Fragen. Dabei könnte Ihnen der Fokussprint zum Schreibdenken behilflich sein. Lassen Sie die Notizen anschließend ruhen und reifen und kommen Sie einige Tage später wieder auf den Kompass zurück. Was fällt Ihnen noch ein?

 Mögliche Fragen sind:

  1. Sinn und Zweck: Worin liegt für mich der Sinn, mich in dieser Organisation mit dem Thema interne Kommunikation zu beschäftigen?
  2. Führung und Werte: Wofür stehe ich (ein) und was ist mir wichtig?
  3. Vision, Strategie und Ziele: Wenn ich in die Zukunft blicke, was interessiert oder begeistert mich besonders?
  4. Gemeinschaft: Wenn ich an den Sinn denke, an das, wofür ich einstehe und was mich begeistert, welche Personen innerhalb und außerhalb der Organisation brauche ich, die mich dabei unterstützen? (siehe auch Punkt 6)
  5. Management: Was sind meine ersten konkreten Schritte, die mich dem Sinn ein Stück näher bringen?
  6. Beziehungen: Wer könnte mich dabei unterstützen? (siehe auf Punkt 4)

Nun verabschiede ich mich für heute von Ihnen. Ich wünsche Ihnen einen energievollen Start in 2017 und freue mich, wenn wir auch im nächsten Jahr wieder voneinander hören, lesen und ins (analoge) Gespräch kommen.

Ihre Ulrike Führmann


2 Kommentare
06.01.17, 14:33 Uhr

Kommunikation und Beziehungen sind die wichtigsten. Danke für den Beitrag. Grüße aus Koblenz.

13.01.17, 23:00 Uhr

Ein interessanter Ansatz, schön visualisiert. Vielen Dank für den Beitrag.

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