Digitale Transformation. Was kommt? Was bleibt? Was sollten oder müssen Unternehmen beachten? Mit diesen Fragen fuhr ich zur CeBIT nach Hannover in die Social Business Arena. In Panels, Vorträgen und Diskussionen hörte ich – natürlich mit dem Ohr der „internen Kommunikation“ – verschiedene Experten zum Thema „Social als Wegbereiter der digitalen Transformation“.
Ist „Social“ tot?
Überrascht bin ich, dass die Diskussion jetzt Fahrt aufnimmt. Um es gleich vorwegzunehmen: Der Begriff „Social“ scheint tatsächlich zur Diskussion zu stehen, die Bedeutung des Begriffs „Business“ natürlich nicht.
Wir werden irgendwann nicht mehr über ,Social‘, sondern nur noch über Business sprechen. Martin Risgaard Rasmussen
So rechnet Martin Risgaard Rasmussen, Customer Success Manager bei Microsoft, damit, dass wir irgendwann nicht mehr über „Social“, sondern nur noch über Business reden werden. Ein Indiz für diese These: Ein Aussteller in der Arena sprach nicht mehr von „Social Collaboration“, sondern von „High Performance Collaboration“.
Die veränderte Begrifflichkeit soll darauf hinweisen, dass mit Social Business und der digitalen Transformation sehr viel mehr gemeint ist als mit den „üblichen“ Social-Media-Plattformen wie Facebook und Co.
Die Diskussion in die Breite zu tragen, ist sicherlich hilfreich, denn es zeigt unter anderem, dass „Social“ auf dem Weg in die Normalität ist. Abteilungen, die in großen Unternehmen eigens für „Social Communication“ gebildet wurden, könnten vielleicht bald wieder unter das Dach einer gesamtverantwortlichen Kommunikationsabteilung schlüpfen.
Ist „Social“ ein Gründungsfehler?
Das Fachbuch „Social Intranet“ von Frank Wolf, Mitgründer der Eyo MitarbeiterApp, schätze ich sehr. Deswegen interessierte mich besonders, was Wolf mit „Gründungsfehler“ meint. Seiner Meinung nach liegt dieser Gründungsfehler darin, dass den Mitarbeitern in den Anfangstagen von „Social Business“ lediglich ein Tool vorgesetzt wurde, ohne dass das dabei begonnene Experiment weiter begleitet wurde. Wolf fordert einen offenen und kritischen Diskurs: weg von der toolgetriebenen Auswahl hin zum Anwendungsfall – die Branche sei bereits zu lange toolgetrieben. Martin Risgaard Rasmussen stützte diesen Standpunkt, indem er in der Diskussion feststellte, dass der IT-getriebene Ansatz allein nicht ausreiche.
Wir können nicht sagen, dass Social Business so richtig voll eingeschlagen ist. Frank Wolf
Für die Strategen unter uns ist dieser Gedanke natürlich nicht neu, aber ich freue mich über die Wiederentdeckung der strategischen und konzeptionellen Planung. Dass dieses Thema nun stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit tritt, tut sicherlich nicht nur einer wirksamen internen Kommunikation gut.
Was empfehlen Experten ganz konkret?
Der Zukunftsforscher Prof. Dr. Dr. Ayad Al-Ani empfiehlt Überlegungen dazu, wie sich Organisationen für Netzwerkstrukturen öffnen können. Dabei geht es ihm in erster Linie nicht darum, die komplette Organisation umzugestalten, sondern um den Hybrid-Gedanken: Wo machen Hierarchien Sinn, wo Netzwerkstrukturen? Welche Teilaspekte können umgesetzt werden? In welche Bereiche können Externe, die anderes Wissen mitbringen, integriert werden? Und vor allem: Wie lässt sich ein Wandel gestalten, in dem gleichzeitig das Alte und das Neue vorhanden sein wird?
Stefan Ehrlich, Vorstand des Knowledge Research Center e.V. stellte die Frage in den Raum, ob wir tatsächlich eine Krise bräuchten, um uns zu verändern, oder ob es auch über andere Rahmenbedingungen möglich sei. Für ihn ist es wichtig, das richtige Maß in der Planung zu finden. Er empfiehlt einen agilen, iterativen Prozess mit kleinen, machbaren Schritten, bei dem das Top-Management die treibende Kraft sein müsse.
Der Fisch duftet vom Kopf. Reinhard Karger
Reinhard Karger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen, betonte ebenfalls die Notwendigkeit, den Wandel vonseiten des Top-Managements vorzuleben und dazu zu motivieren. Das Ziel, so Karger, sollte sein, dass der Fisch vom Kopf her duftet. Weiter konstatierte er, dass die Unternehmen alle Tools und Konzepte zur Verfügung hätten, jetzt aber die Kultur mehr Beachtung finden müsse.
Dr. Winfried Felser, Vorstand von NetSkills, empfiehlt, weit in die Zukunft zu blicken, gleichzeitig aber im Hier und Jetzt zu überlegen, welche kleinen Schritte möglich sind. Die Geschäftsmodelle müssten überprüft und eigene Strategien entwickelt werden.
Prof. Dr. Peter M. Wald, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der HTWK Leipzig, sprach aus Sicht der HR (Human Resources) und hob die Notwendigkeit von Transparenz und Offenheit hervor. Unternehmen müssten die Beziehung zu ihren Mitarbeitern neu definieren und dabei über das vorherrschende Menschenbild diskutieren. Die Rolle der HR bei der digitalen Transformation sei u. a. die des Ermöglichers, Machers, Administrators oder Strategen. Als Erfolgsfaktoren nannte Wald:
- neue Kommunikations- und Organisationsformen
- agiles Vorgehen und Beratung
- kleine Gruppen mit Eigenverantwortung
- „Einfach machen“
Und für die interne Kommunikation?
Die Diskussionen der letzten Wochen und Monate um die Themen „Digitale Transformation“, „digitaler Arbeitsplatz der Zukunft“, „agile Unternehmen“ – und was sonst noch an Begriffen und Buzzwörtern unterwegs ist – unterstreichen:
- Individuelle Strategie: Unternehmen müssen selbst darüber nachdenken und intern diskutieren, welche Strategien und Geschäftsmodelle für sie denk- und machbar und überhaupt sinnvoll sind.
- Kulturveränderung: Die digitale Transformation wird durch IT-Tools gestützt, aber die Hauptherausforderungen sind die kulturellen Veränderungen und die „Mitnahme“ der Personen in den Unternehmen.
- Zeit und Richtung: Eine Transformation und die damit einhergehende Kulturveränderung findet nicht von heute auf morgen statt, sondern braucht Jahre. Aber bereits heute müssen eine grobe Richtung und ein grober Fahrplan definiert werden. Und zwar so, dass sie sich im Bedarfsfall leicht ändern lassen – ein agiles Verfahren.
- Vorgehen und Methoden: Das gängige Vorgehen und die bewährten Methoden aus der Organisationsentwicklung sowie dem Change- und Kommunikationsmanagement bieten einen hilfreichen und verlässlichen Rahmen.
Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Strategien und der Kultur umfasst das gesamte Unternehmen, also auch die interne Kommunikation. Was können die IK-Verantwortlichen der internen Kommunikation für sich daraus ableiten? Meine Empfehlung: Machen Sie sich grundlegende Gedanken. Die Antworten müssen nicht sofort sprudeln, sondern dürfen reifen.
- Wie ist Ihre Einstellung zu dem Thema?
- Welche Bedeutung messen Sie ihm bei?
- Wissen Sie genug über das Thema?
- Welche Rolle(n) wollen und können Sie in der Transformation übernehmen?
- Sind Sie im Unternehmen ausreichend vernetzt, um mit den relevanten Abteilungen und Personen ins Gespräch zu kommen?
- Benötigen Sie weitere Kompetenzen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Kulturveränderung oder des Veränderungsmanagements?
- Welche neue Art der Kommunikation ist in Ihrer Organisation notwendig, um eine Diskussion anzuregen?
- Welche alten Kommunikationsmuster müssen durchbrochen werden?
Die Diskussionen in der Social Business Arena haben gezeigt, dass die Debatten in den Unternehmen nicht angstfrei ablaufen – alles andere wäre auch unglaubwürdig. Eine Möglichkeit, sich der Angst zu stellen ist die Auseinandersetzung mit den Themen und der Materie. Informations- und Austauschmöglichkeiten wie letzte Woche auf der CeBIT gibt es mittlerweile viele.
Liebe Ulrike Führmann, danke für diese wunderbare Zusammenfassung und interessante Lektüre!!!
Ihr Blog ist eine Bereicherung! Herzliche Grüße, Bettina Melzer
Liebe Bettina Melzer, vielen Dank für die Anerkennung. Das ist Ansporn und Motivation für mich.
Beste Grüße, Ulrike Führmann
Liebe Frau Führmann, vielen Dank für die tolle Zusammenfassung des Events. Es liest sich sehr gut…
Die genannten Erfahrungen kann ich aus meiner Praxis bei Kunden auch nur so bestätigen. Das Thema wurde leider bisher sehr werkzeug-orientiert eingeführt. Wenn dann der Erfolg ausblieb, war meist das Werkzeug schuld und es wurde ein weiteres eingeführt. Dadurch entstehen ganze Collaboration Landschaften innerhalb einer Firma, die aber nicht den gewünschten Erfolg im Business bringen. Mittlerweile findet in vielen Unternehmen jetzt ein Umdenken statt und auch die Anbieter der Werkzeuge bestätigen hier die Wichtigkeit des begleitenden Change und der kulturellen Veränderung.
Lieber Herr Schulz,
danke für Ihren Kommentar und das Teilen Ihrer Erfahrung. Wie gut und wichtig, dass die Branche zu einem ganzheitlichen Ansatz von strategischen Zielen, entsprechender IT-Landschaft und passender Unternehmenskultur zurückkehrt.
Viele Grüße, Ulrike Führmann
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