"Du Blödmann" oder "Sie Blödmann"?

Interne Kommunikation und der angemessene Umgang

Siezen oder Duzen

Zwei Fragen tauchen in meinen Beratungsgesprächen zur Kommunikationskultur immer wieder auf: Wann duzen und wann siezen wir? Sollen wir eine Duz-Kultur einführen?

Zunächst war ich über die Fragen überrascht. In der deutschen Sprache unterscheiden wir zwischen der vertraulicheren Anrede „Du“ und der Höflichkeitsform „Sie“ und haben so die Möglichkeit, Nähe und Distanz zu regulieren. Förmlichkeiten vereinfachen die Ansprache, wenn es komplizierter wird – dachte ich jedenfalls.

Vor über 20 Jahren begann ich meine berufliche Laufbahn in einer großen amerikanischen Beratungsgesellschaft. In einer mehrtägigen Einführungsveranstaltung wurde uns Neuankömmlingen Benehmen beigebracht. Die Gesellschaftsdame riet uns vom Duzen – auch unter Kollegen – mit der Begründung ab, „Du Blödmann“ sage sich leichter als „Sie Blödmann“. Wir sollten also eine professionelle Distanz selbst unter den Kollegen an den Tag legen.

Unkonventionell gegen altmodisch?

Die Zeiten der strikten Regeln haben sich geändert – sicherlich auch durch den Einfluss aus dem angelsächsischen Raum. Der Umgang in den sozialen Medien erweckt ebenfalls den Eindruck, dass der Ton unkonventioneller wird und alle sich duzen (dürfen). Sind wir, wenn wir uns duzen, jung, unkonventionell und produktiver? Ist Siezen altmodisch?

 Du = Nähe? Sie = Distanz?

Das Duzen oder Siezen im professionellen Umfeld ist für mich zunächst das Ergebnis einer gesellschaftlichen Konvention, die auslotet, wie sich zwei Menschen begegnen wollen. „Du“ und „Sie“ muss jedoch nicht unbedingt etwas über die Qualität der Beziehung aussagen.

Als Teenager – im besten Existenzialismus-Alter – war ich stark beeindruckt, dass sich Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir als Paar siezten. Meine Großtante hat ihre beste Freundin ein Leben lang gesiezt. Auch wenn ich das als Kind sonderbar fand: Sie fühlten sich aufrichtig verbunden.

Es gibt die eher konventionellere Chefin, die alle siezt, aber verbindlich und sogar herzlich auftritt. Und es gibt den modernen Chef, der schnell das Du und eine offene Tür anbietet, aber es nicht vermag, eine persönliche Arbeitsbeziehung aufzubauen.

Magst Du mich?

Wie zwei Personen ihre (Arbeits-)Beziehung regeln wollen, hat auch einen psychologischen Aspekt, der unangenehm werden kann: Fühle ich mich abgewiesen, weil der Kollege mir immer noch nicht das Du angeboten hat? Könnte ich einen Korb erhalten, weil mein Gegenüber mein Du nicht annehmen will?

Wie treffe ich den richtigen Ton?

Hilfreich ist es, sich zu fragen, woher die Unsicherheiten mit der Anrede rühren. Liegt es daran, dass die gesellschaftlichen Konventionen nicht beherrscht werden? Oder weil man sich unwohl mit einem Zuviel oder Zuwenig an Nähe oder Distanz fühlt?

Bei Zweifeln hilft es, die Kollegen zu beobachten und sich zu fragen: Was wäre für mich, was wäre für die anderen stimmig? Was fände ich unpassend? Wie sehen das meine Kollegen oder Mitarbeiter?

Wer einen Schritt weitergehen möchte, kann sich fragen, ob die Unsicherheit auf der kommunikationspsychologischen Ebene liegt: Das Riemann-Thomann-Modell bietet Unterstützung bei der Reflexion. Dieses Modell zeigt auch gut auf, dass wir Menschen unterschiedlich ticken und ein individuelles Maß an Nähe oder Distanz brauchen.

Wie weit soll das Unternehmen eingreifen?

Förderlich ist es, neuen Mitarbeitern eine Orientierung zu geben, wie der Umgang und die interne Kommunikation im Unternehmen geregelt sind, zum Beispiel nach dem Motto: „Wir pflegen keine eindeutige Duz- oder Siez-Kultur. Die Wahl überlassen wir jedem Einzelnen im Austausch mit seinen Kollegen.“ Hilfreich ist es, auf die üblichen gesellschaftlichen Regeln hinzuweisen.

Strikte Vorgaben oder vielleicht sogar eine Kulturveränderung zum vertraulicheren Du sollten gut durchdacht sein: Was soll das Ziel sein? Soll die komplette Kommunikation, angefangen bei den Arbeitsverträgen bis hin zur Ansage auf den Mailboxen, umgestellt werden? Was bedeutet das im Kundenumgang? Wie wird mit Widerstand umgegangen? Wie lange dauert die Umstellung?

Weiterdenken?

Nicht alle Mitarbeitenden habe das gleiche Bedürfnis nach Nähe oder Distanz. Um die Unterschiede sicht- und besprechbar zu machen, eigenet sich das Riemann-Thomann Modell.

Bildnachweis: thinkstock tk309038rkn – Bildbearbeitung: Freyja Kok

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