„Viele halten die Stille nicht aus und reisen vorzeitig ab“, warnte mich meine Wirtin, als ich vor einigen Jahren das Quartier am Rande des Nationalparks bezog. Manchmal wirkt Stille tatsächlich bedrohlich, wie zu Anfang der Pandemie, als das quirlige Leben in den Büros verstummte. Oder verstörend, weil die Stille nach der Videokonferenz die Einsamkeit unterstreicht. Oder peinlich, wenn die Gesprächspause zu lang erscheint. Stille hat keinen guten Ruf in unserer schnellen Arbeitswelt, die auf Agilität, Großraumbüros und kurze Taktungen setzt. Sie klingt nach Stillstand, Bewegungslosigkeit, Heimlichkeit. Dabei sollten wir gerade Stille für die interne Kommunikation nutzen und „öfter mal die Klappe halten“. Für Dauerbeschallung sind unsere Gehirne nämlich nicht gemacht.
Für Sendepausen in der internen Kommunikation sorgen
Was sagen Ihre Zugriffszahlen im Social Intranet? Werden (neben dem Speiseplan, versteht sich!) vor allem die kleinen Infohappen konsumiert und die längeren, aber wichtigen Hintergrundinformationen ignoriert? Falls Sie dieses Phänomen auch beobachten: Es lässt sich u. a. mit der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne erklären. Unsere Gehirne kommen bei der Informationsfülle nicht mehr zu Ruhe. Wir ermüden und lassen uns leichter ablenken. Der Fokus geht verloren. Auf diese Aufmerksamkeit sind wir aber in der internen Kommunikation angewiesen. Sie ist unsere harte Währung, und wir bringen uns um den Lohn, wenn wir nicht für Sendepausen und somit für mehr Konzentration sorgen.
Gedanken mehr Stille geben
Konzentration brauchen Mitarbeitende gerade, wenn sie komplexe Sachverhalte und Probleme durchdringen, Zusammenhänge und Auswirkungen erkennen und sinnvolle Entscheidungen treffen wollen – beim Nachdenken also. Dieses Nachdenken fällt uns Menschen leichter, wenn das sogenannte „Default Mode Netzwerk“ in unserem Gehirn aktiv wird. Die Grundlage für diese Gehirnaktion sind Ruhe und eine reiz- und geräuscharme Umgebung. Das Neue kommt also in unserer Welt, wenn wir leiser und ruhiger werden.
Wie Spannung durch Stille entsteht
Die Musik macht es uns vor: Für Spannung sind sowohl lautere Töne als auch Stille notwendig. Was im ersten Moment wie ein Widerspruch erscheint, ist keiner. Eine gelungene Komposition besteht aus beidem und schafft damit einen Rhythmus. Auf diesen Spannungsbogen sollten wir auch in der internen Kommunikation setzen und bei Botschaften, Themen und Instrumenten auf Ruhephasen achten. Die Struktur eines Kommunikationskonzepts unterstützt dabei.
„In der Stille werden die wahrhaft großen Dinge geboren“, soll der schottische Historiker Thomas Carlyle gesagt haben. Er lebte im viktorianischen Zeitalter. Ob große oder kleine Dinge – lassen wir die Stille stärker zu Wort kommen, damit unsere Worte in der internen Kommunikation wieder oder noch mehr Gehör finden. Wagen wir mehr Stille!
Ich bin übrigens damals nicht frühzeitig aus der Stille abgereist. Regelmäßig kehre ich zurück und tauche in die Geräuschlosigkeit dieser wunderschönen Landschaft ein. Und ja: Zu Anfang tut sie tatsächlich manchmal etwas weh.
Ihnen wünsche ich einen Sommer so laut oder leise, wie Sie es gerade brauchen.
Ulrike Führmann
[…] manche von uns bereits in der Sommerfrische weilen oder gar aus ihr zurückgekehrt sind, darf ich noch ein paar Tage tapfer am Schreibtisch […]