Sabrina Meyer über Gesundheit "auf die Ohren"

Interne Kommunikation, Gesundheitsförderung und Podcasts

Verknüpfung von interner Kommunikation, Gesundheistförderung und Podcasts

Strategische interne Kommunikation, Gesundheitsförderung und Podcasts – drei Trendthemen verknüpft in einer Masterarbeit. Das hat mich neugierig gemacht. Also fragte ich bei Sabrina Meyer nach und bekam Zugang zu ihrer Arbeit. Die Inhalte fand ich so interessant, dass ich sie darum bat, sie mit uns zu teilen. Daraus ist ein lesenswertes Interview geworden.

Frau Meyer, Sie haben in Ihrer Masterarbeit drei Trendthemen miteinander verknüpft: strategische interne Kommunikation, Gesundheitsförderung und Podcasts. Wie sind Sie auf die Verknüpfung gekommen?

In meiner Arbeit wollte ich die Problematik von arbeitsbedingtem Stress aufgreifen. Ich interessiere mich schon lange für Burnout im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit von ArbeitnehmerInnen. Schätzungen zufolge liegen die Kosten in Deutschland, die mit psychischen Erkrankungen verbunden sind, bei ungefähr 5-10% des Bruttoinlandsproduktes.

Das mentale Wohlbefinden ist also nicht nur mit persönlichem Leid verbunden. Es wirkt sich auch auf Deutschland als Wirtschaftsstandort aus. In meiner Arbeit wollte ich dieses Problem aufgreifen und hinterfragen, was genau Organisationen tun können.

Und wie kommt die interne Kommunikation ins Spiel?

Eine grundlegende Annahme der Kommunikationswissenschaft ist, dass Organisationen aus Kommunikation bestehen. Diese bildet das konstituierende Element. Die Überlegung war nun: Wenn die Kommunikation innerhalb von Organisationen ausschlaggebend dafür ist, wie die spezifische Form der Arbeitsaufgaben und -bedingungen aussieht, muss es sich auch um den Grundbaustein für arbeitsbedingte gesundheitliche Auswirkungen handeln.

Somit war für mich klar, dass die interne Organisationskommunikation den zentralen Einflussfaktor auf das psychische Wohlbefinden von Mitarbeitenden bildet. Das ist auch insofern logisch, als dass ohne sie keine Vermittlung von gesundheitsbezogenen Informationen stattfinden kann.

Und die Verbindung zu Corporate Podcasts?

Die Verbindung zu Corporate Podcasts hat sich dann organisch entwickelt. Ich selbst bin begeisterte Podcast-Hörerin. Und durch den Digitalisierungsschub drängte sich die Frage nach einem instrumentellen Einsatz beinahe von selbst auf. Speziell im Hinblick auf den Aspekt der Gesundheitskommunikation lagen zudem keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse zur organisationsinternen Nutzung von Podcasts vor. Diese Forschungslücke habe ich mir zu Nutze gemacht.

Womit haben Sie bei Ihrer Arbeit nicht gerechnet? Was hat Sie überrascht?

Ich war ehrlich gesagt erstaunt, dass es nicht schon mehr wissenschaftliche Bemühungen gab, die Themenkomplexe der Betrieblichen Gesundheitsförderung und der internen Kommunikation miteinander zu vereinen. Besonders der Aspekt des mentalen Wohlbefindens avanciert spätestens seit dem Aufkommen der New-Work-Bewegung zum Trendthema. Gerade während des aktuellen erneuten Lockdowns dürften viele Unternehmen merken, was für schwerwiegende Folgen die Vernachlässigung der Gesundheit mit sich bringt.

Jedes Thema ist für sich genommen schon ein großes Thema. Hatten Sie keine Schwierigkeiten mit der Stofffülle?

Ja und nein. Der Umstand, dass ich das Thema speziell aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive betrachtet habe, hatte eine starke Fokussierung zur Folge. Im Bereich der Betriebswissenschaften gibt es allerdings eine ganze Menge Material zur Frage, wie man ArbeitnehmerInnen nicht nur leistungsfähig, sondern idealerweise auch gesund erhält.

Ich sage hier konkret „idealerweise“, da der Gesundheitszustand aus betriebswissenschaftlicher Sicht gern in Form von krankheitsbedingten Fehlzeiten gemessen wird. Diese sind aber ein Spätindikator und sagen nichts darüber aus, wie sich Mitarbeitende tatsächlich fühlen und wie gut ihre Leistungen wirklich sind.

Echte Schwierigkeiten bereitet hat mir allerdings die Suche nach qualitativ hochwertigem Material zu Podcasts. Bis auf einige wenige Praxisbücher und ein paar vereinzelte Artikel gab es praktisch kein wissenschaftliches Material zur Anwendung des Mediums im internen Organisationskontext.

Und zur internen Kommunikation?

Zum Thema interne Kommunikation gibt es inzwischen eine ganze Reihe wirklich guter, wissenschaftlicher Fachbücher. Diversen Autoren und Studien zufolge gilt es inzwischen als eines der am stärksten wachsenden Kommunikationsfelder in Europa. Stoff gibt es genug.

Bezüglich des Themas Gesundheitskommunikation hat sich die Situation dagegen schon als etwas schwieriger dargestellt. Innerhalb Deutschlands hat sich das Fach erst Anfang der 2000er begonnen zu etablieren. Es mangelt immer noch an Grundlagenforschung. Beispielsweise liegt immer noch kein empirischer Beweis für die Verbindung zwischen Gesundheit und Kommunikation vor. Und auch eine allgemeingültige und konsensfähige Definition wurde noch nicht gefunden.

Interne Kommunikation zu definieren ist tatsächlich nicht einfach, weil mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Brillen auf den Bereich geblickt wird. Wenn Sie sich auf eine Definition festlegen müssten, welche wäre das? Und wieso?

Das stimmt, die in der Fachliteratur existierende Menge an Definitionen und dazugehörigen Perspektiven lässt sich nur schwer überblicken. Experten bemängeln oftmals, dass es trotz zunehmender Professionalisierung des Fachs nach wie vor an begrifflicher Schärfe und einem einheitlichen Selbstverständnis mangelt.

Am treffendsten fand ich die Definition von Schneider und Retzbach, da diese sich nicht auf die klassische top-down-Perspektive konzentriert, sondern alle Kommunikationsrichtungen, also top-down, bottom-up und horizontal, miteinschließt und ganzheitlich konzeptioniert ist.

Wie definieren Schneider und Retzbach interne Kommunikation?

Sie sagen: „Interne Organisationskommunikation umfasst sämtliche Prozesse zwischen zwei oder mehreren Organisationsmitgliedern, an denen diese als Sender oder auch Kommunikator und/oder als Empfänger oder auch Rezipient beteiligt sind und durch Zeichen direkt oder mit Hilfe von Medien in formellen oder informellen Rahmen miteinander in Beziehung treten.“

Sie gehen auf eine bestimmte Funktion von interner Kommunikation ein: Agenda Setting als Möglichkeit, Themen strategisch zu setzen. Wer setzt denn Themen in der internen Gesundheitskommunikation?

Ist die interne Kommunikation stark dialogisch angelegt, haben Mitarbeitende die Chance, Themen, die Ihnen wichtig sind, auf die Agenda zu bringen.

Das kommt darauf an, wie die interne Kommunikation innerhalb einer Organisation konzipiert ist. Ist sie stark dialogisch angelegt, haben Mitarbeitende die Chance, Themen, die Ihnen wichtig sind, auf die Agenda zu bringen. Sie können diese beispielsweise in organisationsinternen Foren oder persönlich vermitteln und mit den Kollegen diskutieren.

Speziell in Bezug auf interne Gesundheitskommunikation sollte die Themensetzung idealerweise durch die Führungsebene erfolgen. Das vermittelt den Mitarbeitenden, dass ihr persönliches Wohlergehen wichtig ist und einen hohen Stellenwert für die Organisationsleitung hat.

Und wer hat die Deutungshoheit?

Wie Mitarbeitende die Inhalte auffassen und verstehen, kann sich von Person zu Person unterscheiden. Jeder dürfte schon mal erlebt haben, dass ein Gesprächspartner etwas vollkommen falsch verstanden hat, obwohl man selbst der Meinung war, sich absolut klar ausgedrückt zu haben. Das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun lässt grüßen.

Dieses Risiko lässt sich nicht vollständig vermeiden. Sorgfältige Konzeption, Planung und inhaltliche Abstimmung der genutzten Übertragungskanäle kann es aber minimieren. Da der Empfänger einer Nachricht selbst entscheidet, wie er oder sie den Inhalt interpretiert, liegt die Deutungshoheit meiner Meinung nach bei der zu erreichenden Bezugsgruppe.

In Ihrer Arbeit gehen Sie auf das Salutogenese-Modell des amerikanischen Soziologen Aaron Antonovsky ein. Es gilt als ein Baustein des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Ich meine, dass sich die drei Aspekte – Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit, Handhabbarkeit – für die interne Kommunikation sehr gut nutzen lassen. Ich gehe darauf in einem meiner Beiträge ein. Was ist Ihre Erfahrung? Sehen Sie es ähnlich?

Es ließe sich also durchaus argumentieren, dass interne Kommunikation bereits zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden beiträgt.

Absolut! Ich hätte diesen Aspekt gern noch weiter vertieft in meiner Arbeit. Antonovsky benennt diese drei Punkte als grundlegende Voraussetzungen für die Herausbildung des sogenannten Kohärenzgefühls. Darunter versteht er eine intrinsische Widerstandsressource, die Menschen hilft, angesichts fortschreitender Entropie und Stressoren gesund zu bleiben. Es ließe sich also durchaus argumentieren, dass interne Kommunikation generell, sofern sie verständlich, sinnhaft und handhabbar gestaltet ist, bereits zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden beiträgt.

Was verstehen Sie unter Entropie?

Ursprünglich stammt der Begriff aus der Thermodynamik und beschreibt dort ein Maß für Unordnung. Antonovsky entlehnt diesen Begriff und nutzt ihn aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Er will damit verdeutlichen, dass haltgebende Strukturen und gesellschaftliche Ordnung zunehmend aufgebrochen werden. Kurz gesagt: Wir befinden uns in einem Stadium ständigen Wandels. Das raubt Menschen Planungssicherheit und löst Stress aus, da sie gezwungen sind, sich immer wieder anzupassen.

Kommunikation bietet Orientierung, ein menschliches Grundbedürfnis. Gleichzeitig kann ein zu viel an Informationen Stress auslösen. Was wäre ein guter Umgang?

In der Fachliteratur wird dieses Problem als Rezipientenparadoxon beschrieben. Es besteht darin, dass ArbeitnehmerInnen oftmals bemängeln, nicht ausreichend mit Informationen versorgt zu werden, gleichzeitig aber auch über eine unaufhaltsame Flut an Nachrichten, Hinweisen und Infos klagen. Grundsätzlich gilt: Qualität vor Quantität. Wer seine MitarbeiterInnen einem nicht abreißenden Strom an vermeintlich wichtigen Informationen aussetzt, riskiert diese zu überfordern.

Was wäre besser?

Besser ist es, die Kommunikationsinhalte an die Anforderungen der Organisation und die Bedürfnisse ihrer Mitglieder anzupassen. Idealerweise tritt man dazu in einen Dialog mit der Bezugsgruppe und fragt konkret nach deren Bedarf. Erscheint der interne Newsletter eventuell zu oft oder vielleicht zu selten? Sind die behandelten Themen relevant für die Belegschaft? Wird das neu eingeführte Social Intranet gut angenommen oder gibt es noch Luft nach oben? Bekanntlich muss der Köder ja dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.

Sie hatten Schwierigkeiten, für Ihre Arbeit interne Podcasts zu finden. Woran lag es? Podcasts scheinen doch im Aufwind zu sein.

Definitiv. Alle Welt spricht von der Renaissance des Hörens. Laut dem britischen Journalisten Ben Hammersley, der übrigens auch den Begriff Podcast geprägt hat, befinden wir uns bereits im goldenen Zeitalter von Audio. Besonders die Corona-Krise scheint das allgemeine Interesse an organisationsinternen Corporate Podcasts noch einmal gesteigert zu haben.

Allerdings befinden sich viele Unternehmen aktuell noch in der Experimentierphase. Ich denke, viele wollen hinter geschlossenen Türen erst einmal ausprobieren, bevor sie entsprechende Inhalte öffentlich zugänglich machen. Man muss natürlich auch darauf hinweisen, dass dieser Schritt aufgrund sensibler Inhalte in vielen Fällen konsequent ausgeschlossen wird.

Welches Fazit ziehen Sie aus Ihrer Arbeit?

Corporate Podcasts helfen dabei, die interne Kommunikation menschlicher zu machen.

Interne Gesundheitskommunikation ist ein Ausdruck von Wertschätzung. Sie wirkt sich bei korrektem Einsatz auch positiv auf die Unternehmenskultur aus. Besonders angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte dieses Potenzial nicht verschenkt, sondern genutzt werden, um Mitarbeitenden psychologische Sicherheit zu bieten.

Corporate Podcasts helfen dabei, die interne Kommunikation menschlicher zu machen. Der durch das Homeoffice weggefallene Flurfunk und der kollegiale Austausch in der Teeküche lassen sich dadurch zwar nicht substituieren, jedoch schafft Audiocontent durch die Instrumentalisierung der Stimme ein hohes Maß an Nähe und Authentizität.

Was können Sie den Leserinnen und Lesern des IK-Blogs als Verantwortliche für die interne Kommunikation mitgeben?

Wer jetzt noch Zweifel hat, ob ein Podcast das richtige für das eigene Team ist, dem würde ich raten: mutig sein und ausprobieren. Sowohl die Produktionskosten als auch der damit verbundene Aufwand sind sehr viel geringer als bei einem Mitarbeitermagazin oder Corporate TV. Online sind inzwischen diverse kostenlose Audio-Schnittprogramme verfügbar und ein vernünftiges Einsteiger-Mikro bekommt man heutzutage auch bereits für unter 100 Euro.

Wenn das Medium gut ankommt und sich etabliert hat, kann man immer noch in weiteres Equipment investieren, um die Soundqualität zu erhöhen. Worauf ich allerdings noch aufmerksam machen will: Podcasts funktionieren nicht im Alleingang. Da das Medium selbst nicht rückkanalfähig ist, braucht es eine gute Kombination aus Instrumenten, beispielsweise eine Symbiose aus Podcast und Social Intranet, damit die Hörer sich bezüglich der Inhalte untereinander austauschen, Fragen stellen und Feedback geben können.

Hören Sie nach Ihrer Masterarbeit Podcasts mit einem anderen Ohr?

Tatsächlich habe ich festgestellt, dass ich Podcasts mittlerweile aufmerksamer höre als früher. Vielleicht, weil ich ihren Wert jetzt noch mehr zu schätzen weiß. Der Trend zum lebenslangen Lernen erlebt mit Podcasts einen nie dagewesenen Aufschwung. Diese Entwicklung wird sich zukünftig noch verstärken. Podcasts sind gekommen, um zu bleiben.

SABRINA MEYER

ist Kommunikationsmanagerin in der Abteilung für interne Kommunikation im BMW Motorradwerk Berlin, einem der traditionsreichsten Standorte der BMW Group, wie sie betont. Sie hat einen Bachelor in PR- und Kommunikationsmanagement sowie einen Master in Organisationskommunikation. Während ihres Studiums entdeckte sie ihre Begeisterung für interne Unternehmenskommunikation und konzentriert sich seitdem beruflich auf diese Disziplin.

Besonders interessieren Sabrina Meyer die positiven Einflussmöglichkeiten der internen Kommunikation auf die psychische Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dabei setzt sie auch auf den Einsatz von Audio- und Bewegtbildformaten.

Mehr über Sabrina Meyer können Sie in ihrem LinkedIn-Profil nachlesen.

Lust auf Definitionsarbeit?

Falls Sie die Definition zur internen Kommunikation nachlesen möchten, finden Sie sie hier: Schneider, Frank M./Retzbach, Andrea (2012): Gegenstand und Bedeutung der internen Organisationskommunikation. In: Maier, Michaela/Schneider, Frank M./Retzbach, Andrea (Hrsg.): Psychologie der internen Organisationskommunikation. Göttingen: Hogrefe Verlag, Seite 3-16.

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