Kennen Sie Gibberisch? Gibberisch zählt zu den Fantasiesprachen und wird gerne in Meditationen eingesetzt. Wer einige Minuten in Gibberisch vor sich hinplappert, bekommt den Kopf frei. Beabsichtigen Vorstandsvorsitzende mit ihren Reden etwas Ähnliches und wollen ihren Zuhörern einen entspannten Moment bieten?
Diese Frage drängte sich mir nach einem Blick in einen F.A.Z.-Artikel auf. Seit Anfang des Jahres begutachten der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Brettschneider von der Universität Hohenheim und sein Team Reden von DAX-Vorsitzenden, die während der Hauptversammlung gehalten wurden. Die Verständlichkeit der Reden hat sich laut der Pressemitteilung der Universität Hohenheim zum Vorjahr verbessert. Es scheint allerdings noch viel Luft nach oben zu geben. Wünschen wir uns, dass es in der internen Kommunikation besser läuft: Sie braucht Verständlichkeit, sonst verpufft sie wirkungslos.
Unser Gehirn liebt einfache Sprache
Unser Gehirn benötigt bis zu 20 % unseres Energieverbrauchs. Das ist viel, und so nutzt es jede Situation zum Einsparen. Es liebt Einfachheit und eine leicht zugängliche Sprache. Da stellt sich mir die Frage, warum auf Effizienz getrimmte Unternehmen Energie verschwenden und es an Verständlichkeit mangeln lassen. Über die Gründe kann ich nur spekulieren:
- Der Redner macht sich keine Gedanken darüber, wie seine Worte beim Zuhörer ankommen – aus Unwissenheit, aus Zeitdruck oder aus Unlust.
- Die Gedanken sind nicht sortiert.
- Der wahre Inhalt der Rede soll verschleiert oder beschönigt werden.
- Der Sprecher legt Wert darauf, sich durch kompliziertes Gerede abzuheben und intellektuelle Statuspunkte zu sammeln.
Die Zauberformel für verständliche interne Kommunikation
Je einfacher und verständlicher wir sprechen oder schreiben, desto eher wird die Bezugsgruppe uns zuhören bzw. das Geschriebene lesen. Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut und Verständlichkeit ein Teil der Währung.
Der Kommunikationspsychologe FriedemannSchulz von Thun und seine Kollegen von der Hamburger Universität haben bereits in den 70er-Jahren Sprachstudien zur Verständlichkeit durchgeführt. Ihr Blick ging dabei sicherlich über die interne Kommunikation hinaus, aber gerade in diesem Bereich sollten wir ihre Erkenntnisse nutzen. Die Regeln gelten noch heute:
- Einfachheit
- Gliederung und Ordnung
- Kürze und Prägnanz
- Anregungen
Einfachheit
Der Inhalt von Texten darf kompliziert sein, die Art der Darstellung nicht. Sätze sollten kurz sein und neun bis 13 Wörter enthalten – Ausnahmen erlaubt. Allerdings sind kurze Sätze allein keine Garantie für einen verständlichen Text: „Auch sie kann man miserabel bauen“, wie der Journalist Wolf Schneider treffend bemerkt hat. Komplizierte Schachtelsätze, Fremdwörter sowie schwierige oder unbekannte Wörter kosten Energie. Also: entzerren, vereinfachen, erklären.
Ordnung und Gliederung
Schulz von Thun und seine Mitstreiter unterscheiden zwischen innerer Ordnung und äußerer Gliederung. Innere Ordnung meint den roten Faden, der auf einer sinnvollen Reihenfolge basiert. Als äußere Gliederung ist die angemessene Strukturierung geschriebener Texte zu verstehen, u. a. durch Absätze oder Überschriften.
Kürze und Prägnanz
Hier sollte der Redner die Spreu vom Weizen trennen, indem er sich die Frage stellt, ob die Länge seiner Ausführungen im Verhältnis zum Informationsgehalt steht. Falls nicht: kürzen, kürzen, kürzen.
Anregungen
Wer gelesen werden möchte bzw. wem zugehört werden soll, konkurriert mit Unmengen an Informationen. Er muss Interesse wecken, Neugier erzeugen und sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten sichern. Schulz von Thun empfiehlt eine abwechslungsreiche, persönliche und direkte Ansprache. Am besten werden Daten und Fakten in Geschichten verpackt, die das Gehirn leichter aufnehmen kann (neudeutsch: Storytelling) und länger behält.
Verständigung: eine Grundaufgabe der internen Kommunikation
Eine Grundfunktion von Kommunikation ist Verständigung. Das gilt auch für die interne Kommunikation, wo die Verantwortlichen die Pflicht haben, Verständigungsprozesse zu planen und zu organisieren. Am besten fangen sie mit einer verständlichen Sprache an.
Lust zum Weiterlesen?
Hier finden Sie den Artikel in der F.A.Z. vom 30. Mai 2014 mit dem Titel „Studie: Wenn Chefs sich rechtfertigen müssen“
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