„So machen. XY.“ Warum manchmal mehr Wörter auch besser sind

Braucht es mehr Form? Interne Kommunikation per E-Mail

Ein Schlagabtausch letztens in der ZEIT. Auf der einen Seite ein Professor, der einen förmlicheren Umgangston in E-Mails erwartet. Auf der anderen Seite eine Studentin, die zu einer Anfrage zu ihrer Hausarbeit von einem anderen Professor die Antwort per E-Mail erhielt: „Ist gut, MFG“

Das kenne ich doch. Nur aus einem anderen Zusammenhang. Wenn es in meinen Text-Workshops um die interne Kommunikation per E-Mail geht, gibt es auch oft zwei „Lager“. Auf der einen Seite die, für die es gern noch viel kürzer und knapper sein dürfte und das „ganze Blumige“ heraus kann. Auf der anderen Seite jene, die beklagen, dass in den E-Mails an sie keine Anrede, keine Grüße und nicht die Spur von Freundlichkeit oder Höflichkeit enthalten ist. Und das nicht bei der xten Nachricht zum selben Thema an einem Tag. Sondern oft gerade dann, wenn sie mit viel Aufwand etwas erarbeitet haben  und darauf hoffen, dass ihre Lösung gewürdigt wird und sie auch ein wenig Anerkennung bekommen. Stattdessen steht in der Antwort: „So machen. XY.“.

20 Sekunden, die es wert sind.

Schreibe, wie du redest – in guten Gesprächen.

Zum Vergleich der Blick auf unser Vorgehen in Gesprächen. Sie arbeiten mit einem Kollegen gemeinsam an einem Projekt und sind jetzt in der Schlussphase. Ein paar Mal sind Sie heute schon nach nebenan in sein Büro gelaufen, um schnell noch eine letzte Frage zu klären. Wenn Sie jetzt das wirklich allerletzte Mal hinübergehen, was sagen Sie? „Lieber …, wir arbeiten ja gemeinsam an dem Projekt und jetzt möchte ich mit dir doch noch einen allerletzten Punkt klären, nämlich …“ Oder eher so: „Sag mal, was ist mit X. Wie machen wir das?“. Vermutlich halten Sie es kurz und sind bald wieder draußen. Eine E-Mail wäre in derselben Situation genauso knapp, einfach weil es an diesem Tag zu diesem Thema schon etliche gab.

Ein anderes Gespräch: Sie haben sich Gedanken dazu gemacht, wie sich eine Problemsituation lösen lässt und ihren Vorschlag an den Bereichsleiter gesandt. Als er an Ihrem Büro vorbeikommt, steckt er den Kopf zur Tür herein. „Guter Vorschlag, Frau T. Danke! Das machen wir genau so.“ Auch hier könnte eine E-Mail im selben Wortlaut herausgehen. Und ja, auf dem iPad oder Smartphone getippt, dauert das geschätzte 20 Sekunden länger als „So machen.“ Aber 20 Sekunden, die es wert sind.

Fakten und Emotionen – beides gehört zur Kommunikation dazu

Sie können an fast allem in E-Mails sparen, nur nicht an der Freundlichkeit.

Welche Worte wir in einem Text verwenden, hat oft eher mit Routinen und Standards zu tun, als mit einer bewusst angezielten Tonalität. Es geht aber auch anders, zum Beispiel mit dem 4-Sprachfarben-Modell von Hans-Peter Förster. Dabei steht blau für „technische Wörter“, grün für „beständige Wörter“, gelb für „reizvolle Wörter“ und  rot für „gefühlvolle Wörter“.  Für die interne Kommunikation per E-Mail ist das Verhältnis von blau und rot besonders interessant. Wenn sich E‑Mails ausschließlich auf die „blauen“ Fakten beschränken und die „rote“ Seite fehlt, kann das über kurz oder lang dazu führen, dass das Miteinander und die Zusammenarbeit nicht mehr richtig funktionieren. Und weil im Gespräch Stimme, Mimik und Gestik zusätzlich für Emotionen sorgen, sollten wir im Text erst recht daran denken.  Ob „tiefrot“ oder „blassrot“, das ist eine Frage der Persönlichkeit. Der eine schreibt „Ganz herzlichen Dank, liebe Frau T. Das ist eine gute Idee und wir werden sie genauso umsetzen.“  Beim anderen klingt es so: „Danke, Frau T. Lassen Sie uns das so umsetzen.“ Schließlich formulieren wir im Gespräch auch nicht alle gleich. Aber es geht darum, die emotionale Seite im „Mail-Gespräch“ nicht völlig außen vor zu lassen. Weil sie genauso ihre Berechtigung hat wie die der Fakten.

Gradmesser für die Form im Text: unsere Gespräche

Ob Gespräche gelingen, ob Texte gut ankommen, hängt von vielen Faktoren ab: der jeweiligen Situation, dem Thema, den Kommunikationspartnern. Im Gespräch wird es uns allerdings oft schneller bewusst, wenn der Ton nicht stimmt, etwas falsch beim anderen angekommen ist.

Genau deshalb eignen sich Gespräche als Gradmesser – auch bei der Frage, wie viel Form die interne Kommunikation braucht. Denn eine E-Mail bedarf mindestens genauso vieler Freundlichkeit oder Höflichkeit, wie wir im selben Zusammenhang in einem guten und wohlmeinenden Gespräch anbringen würden. Wenn Sie also bei der nächsten E‑Mail über die richtige Wortwahl und die angemessene Länge nachdenken: Überlegen Sie einfach kurz, wie es wohl wäre, wenn Ihr Leser Ihnen direkt gegenüber säße.

Die Autorin

Sigrid Varduhn ist Expertin fürs Schreiben im Beruf – als Kommunikationstrainerin, Schreibcoach und Texterin. Sie wurde 1967 in Berlin geboren und studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin. Zu ihren Kunden gehören: Akademie der Deutschen Medien, Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, Bundesverband der Zeitungsverleger, Deutsche Telekom, e-fellows.net, Gebr. Heinemann, Schwäbisch Media und andere mehr.

Im April 2016 ist von Sigrid Varduhn „Einfach besser schreiben im Beruf. Überzeugende E-Mails, Angebote, Konzepte & Co.“ im Stark Verlag erschienen. In zwei Leseproben geht es darum, persönliche Gesprächsstärken auch beim Schreiben zu nutzen und besser verstanden zu werden.

Weiterlesen? Weiterdenken?

Den Artikel aus der ZEIT vom 18. August 2016 finden Sie hier.

Mehr zur 4-Farben-Sprache von Hans-Peter Förster können Sie unter anderem nachlesen in „Texten wie ein Profi“, 13. Auflage 2016.

Mit Unterstützung der Gesellschaft für deutsche Sprache fand an der Bergischen Universität Wuppertal vom 29. September bis zum 2. Oktober 2016 eine Tagung zur Höflichkeitsforschung statt.

Grafik und Bildbearbeitung: Freyja Kok

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Randnotiz Interne Kommunikation
Für einen entspannten Umgang mit E-Mails

Was in der Ernährung gut ist, ist auch bei E-Mails nützlich: Dreimal am Tag heißt die Zauberformel. Wer dreimal am Tag seine E-Mails am Stück bearbeitet, fühlt sich kompetenter und weniger gestresst. 

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4 Kommentare
16.11.16, 14:51 Uhr

Liebe Sigrid,

danke für diesen Beitrag! Mehr ist manchmal eben mehr – ich kann das nur unterstreichen! Wenn ich das Sprechen und Schreiben mit mir bei manchen meiner Kommunikationspartner vergleiche, glaube ich, es mit verschiedenen Personen zu tun zu haben …

Die Erläuterung mit dem Farbenmodell leuchtet unmittelbar ein. Und als Technik sich am Gespräch zu orientieren, ist so simpel wir überzeugend!

Franziska

  • 16.11.16, 15:16 Uhr

    Liebe Franziska,

    danke für diese Rückmeldung. Dass man glaubt, es mit verschiedenen Personen zu tun zu haben, dieses Bild passt sehr gut.

    Herzlichen Gruß

    Sigrid

[…] Braucht es mehr Form? Interne Kommunikation per E-Mail: „So machen. XY.“ Warum manchmal mehr Wö… […]

10.01.17, 12:01 Uhr

Vielen Dank für diesen Text! Er war sehr informativ und hat mir geholfen.

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